Ein Bericht aus der umkämpften Stadt Charkiv
Wo sind sie?
Wenn man nach einer nächtlichen Bombardierung durch die Stadt fährt und Gebäude wie dieses sieht, stellt sich die Frage: Wo sind sie? Sie – die bequem in ihren Wohnungen lebten – gingen ängstlich zu Bett und wurden mitten in der Nacht durch das Grollen von Granaten geweckt, die Fenster und Balkone zerschmetterten. Wo sind sie jetzt? Einige liegen auf dem schneebedeckten Boden, eine alte Frau mit zerzaustem Haar stützt sich auf einen Stock und weint um jemanden, die Versorgungsunternehmen versuchen, etwas gegen den entstandenen Chaos zu unternehmen, und der Verstand und das Herz suchen nach Antworten auf die Fragen: Wo sind die anderen? Wie können wir ihnen helfen?
Das Herz krampft sich vor Schmerz zusammen vor Hilflosigkeit angesichts der Unfähigkeit, Katastrophen und Tragödien zu verhindern. Einige von ihnen sind aus ihren gemütlichen Wohnungen in den Untergrund gezogen und haben eine Art Zeltstadt gebildet. Der Rest ist wo auch immer…
Der 24. Tag des Krieges hat dem, was uns umgibt, eine dunkle, traurige Farbe verliehen. Die Gesichter sind emotionslos und die Augen aller sind schwarz und jegliche helle Kleidung ist verschwunden. Alle sind grau gekleidet, und aus den trüben Augen fließen unentwegt Tränen. Es gibt keine Worte, die sie trösten könnten, denn in einem Augenblick ist alles zusammengebrochen: der Verlust der Heimat, der Verlust der geliebten Menschen, der Verlust des Selbst.
Mit einer kleinen Gruppe von Freunden aus der Kirche finden wir sie an verschiedenen Orten in beschädigten und stromlosen Gebäuden, in U-Bahn-Stationen, in Wohnungen mit zerbrochenen Fenstern und Türen und unter Schutt. Wir teilen das, was wir von Freunden bekommen haben. Die Lebensmittel wurden durch viele Gefahren und durch Dutzende Militärkontrollpunkte in der Ukraine geliefert. Das Lebensmittelpaket tröstet den Empfänger nur teilweise, denn er schläft immer noch auf dem Betonboden der U-Bahn, er hat immer noch kein Licht und kein Wasser, ihn beherrschen immer noch trübe Gedanken und es gibt keine Antwort auf die Fragen: „Wann wird das alles enden? Was wird die kommende Nacht oder der neue Tag bringen?“ Verzweiflung kriecht in seine Seele.
Wo sind sie?
An den Straßen und in der U-Bahn stehen die Menschen Schlange, um Lebensmittel zu erhalten und wir versuchen, diesem verzweifelten Hilferuf ineinigen Stadtteilen nachzukommen. Es ist erstaunlich, wie willig sie die Worte über Gott, über das Gebet – und Gott gebe, dass es nicht vergeblich ist – aufgreifen.
Aufgrund des großen Zustroms an Anfragen arbeitet die Gruppe von 10 Uhr morgens bis zur Sperrstunde auf Hochtouren, packt Pakete und bringt die so dringend benötigten Lebensmittel an die Menschen.
Unsere Fahrzeuge, auf die wir täglich angewiesen sind, fallen immer wieder aus. Was wir können, versuchen wir wiederherzustellen und wir retten, was wir haben, so gut es geht.
Unsere einzige Hoffnung ist, dass der Herr weiterhin für uns sorgt indem die Brüder, die uns die Lebensmittel aus dem Westen bringen, auf den gefährlichen Fahrten bewahrt bleiben.
Eine Granate fiel auf das Grundstück des benachbarten Bethauses, beschädigte das Gebäude der Eigentümer und sprengte die Fenster der Nachbarhäuser. Diese kommen zu uns und bitten um Hilfe, die Fenster notdürftig zu reparieren. Was nach unseren Kräften und Mitteln möglich ist, wird oft unter dem Getöse von Explosionen und inneren Ängsten und Sorgen getan.
Unsere körperlichen und geistigen Kräfte schwinden im Kampf gegen die Tragödie, die auf allen unseren Routen zu finden ist. Wir bitten um Gebetsunterstützung, dass der Schrecken der Nacht, die Angst, die Schrecken dessen, was wir gesehen und gehört haben, keine Folgen für die Seelen seiner Kinder haben, dass alle gesund bleiben. Bitte bete, dass der Strom der lebensnotwendigen Hilfe aus dem Westen nicht abreißt. Wir beten um ein besonderes Wunder, dass der Friede Gottes unsere Herzen weiter erfüllt und dieser Schrecken endlich aufhört.
Vielen Dank, liebe Freunde, die auf allen Kontinenten beten, anrufen, SMS schreiben, spenden und ihre Unterstützung und Ermutigung auf jede Weise zeigen. Ich möchte Sie alle umarmen und Ihnen danken. Möge der Herr uns alle beschützen.
Leonid Tkatschew
Charkiv, 19. März 2022
Spenden
Spende einfach über unser Spendenformular oder überweise den Betrag mit dem Betreff “Hilfe für Kriegsopfer in Ukraine + deine Postadresse“ an folgendes Spendenkonto:
Mission GEHE HIN e.V.
Kreissparkasse Köln
IBAN: DE82 3705 0299 0341 0002 06
BIC: COKSDE33XXX
Verwendungszweck: Hilfe für Kriegsopfer in Ukraine + deine Postadresse